Herzenssache und Gottesmut by Kuch Michael

Herzenssache und Gottesmut by Kuch Michael

Autor:Kuch, Michael [Kuch, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-GVH Religion und Gesellschaft
veröffentlicht: 2017-01-23T23:00:00+00:00


5.1 »Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?« – die Suche nach Anerkennung

Im Zentrum der Botschaft von der Rechtfertigung steht eine ebenso befreiende wie herausfordernde Behauptung: Jeder Mensch – also auch der, der nichts leisten oder vorweisen kann – ist von Gott bedingungslos geliebt und angenommen. Befreiend ist diese Botschaft, weil sie ungemein entlastend wirken kann. Herausfordernd, ja irritierend ist sie, weil sie dem zu widersprechen scheint, was das menschliche Leben fundamental antreibt: Ich will etwas aus mir machen.

Dieser Wunsch oder Drang, etwas aus sich zu machen, kann eine starke produktive Kraft entfalten. Sie ermöglicht es dem Menschen, sein Leben aktiv und zielgerichtet zu gestalten. Daran ist, für sich genommen, nichts Problematisches. Im Gegenteil: Es zeichnet den Menschen aus, dass er sein Leben selbst in die Hand nehmen und voranbringen kann. Ein Problem entsteht aber dann, wenn ich mir selbst und anderen durch mein Handeln die Bedeutung meines Daseins ständig beweisen muss. Daraus erwächst ein permanenter Druck, der mich auf Dauer überfordert. Mein Tun wird so nämlich an jeder Stelle zur Bewährungsprobe; in ihr steht meine Existenz im Ganzen auf dem Spiel. Scheitert mein Handeln, dann scheitere ich selbst. Dieses Gefühl wiederum treibt den Menschen immer mehr an, lässt ihn seine Anstrengungen steigern mit dem Ziel, immer perfekter und unangreifbarer zu werden. Das jedoch mindert nicht die Angst vor einem Gesichtsverlust, es verstärkt sie vielmehr und forciert dadurch den Einsatz weiter. Am Ende kommt es zu Erschöpfung, Verkrampfung, Lähmung. »Burnout« wird dieser Zustand oft bezeichnet.

Man muss sich eine solche unheilvolle Dynamik vor Augen führen, um ermessen zu können, was dem jungen Luther zusetzte. »Ich will der Hölle entlaufen mit meiner Möncherei.«1 So urteilte er einmal über sein Leben im Kloster. Die »Hölle«, das war ihm genau jener verzweifelte Versuch, sein eigenes Dasein vor Gott zu legitimieren, sich Gottes Gnade würdig zu erweisen. Die persönliche Situation, die dahinter stand, sei kurz in Erinnerung gerufen.

Durch ein plötzlich auftretendes Unwetter mit dem Tod konfrontiert, sah sich Martin Luther mit tiefstem Ernst vor die Frage gestellt, ob und wie er vor Gott im Gericht bestehen kann. Das geschenkte Leben begriff er als Chance: Er wollte sich für den unentrinnbar auf ihn zukommenden Tag des Gerichts rüsten. Und so traf der junge Student der Jurisprudenz – in massiven Auseinandersetzungen mit seinem Vater – eine radikale Entscheidung: Er trat ins Kloster der Augustiner-Eremiten zu Erfurt ein. Die strengste klösterliche Zucht erschien ihm gerade genug, um ein Leben zu führen, mit dem er von Gott Anerkennung erwarten kann. Doch der eingeschlagene Weg erwies sich als zutiefst ambivalent. Denn nicht die Strenge des klösterlichen Lebens bereitete Luther Probleme, auch nicht die allzu menschliche Erfahrung, mit eigenen Schwächen kämpfen zu müssen. Es waren paradoxerweise gerade die Fortschritte, die Luther mehr und mehr in die Verzweiflung trieben. »Je heiliger sein Wandel nach außen hin war, umso mehr verzagte er an sich selbst. Statt den Frieden des Herzens zu finden, quälte ihn zunehmend die Ungewissheit des Heils.«2 Das machte sich für Luther an Vorgängen fest, die anderen als Winzigkeiten erschienen. Sein Beichtvater



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